Ypern
Von Messines aus geht es durch die hügelige Landschaft des Heuvellandes hinunter nach Ypern. Hier und da gibt es inmitten der Felder einen kleinen Friedhof oder einen grünen Teich, der sich in einem Bombenkrater gebildet hat.
Eine lange Reihe von Gedenkbäumen begleitet uns auf dieser Reise. Die rot gekennzeichneten Bäume markieren die deutsche Linie, die blauen die Linie der Alliierten. Manchmal sind die beiden Frontlinien nur ein paar Meter voneinander entfernt.
Nach einer Weile fahren wir nach Ypern, eine Stadt, die während des Ersten Weltkriegs von Blut und Kämpfen geprägt war. Nicht weniger als vier große Schlachten wurden rund um die Stadt geschlagen. Im Schatten der Tuchhallen essen wir ein Croque, während der örtliche Wochenmarkt sich dem Ende zuneigt. Französisch, Deutsch und Englisch klingen wie Echos der verlorenen Kameraden überall. Auf dem Marktplatz herrscht reges Treiben: Eine Mischung aus Touristen und Einheimischen bummelt über den Marktplatz. Aber es hätte auch anders ausgehen können.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Ypern für die Briten zum heiligen Boden. Die Ruinen, die stumme Zeugen des verheerenden Konflikts sind, wurden wie ein modernes Pompeji gehütet. Die britischen Behörden wollten, dass diese Überreste erhalten bleiben, als Denkmal für die Gefallenen und als Warnung für die Zukunft.
Auch die belgische Regierung stand diesem Vorschlag zunächst wohlwollend gegenüber. Doch die Bürger von Ypern hatten andere Vorstellungen. Anstatt sich an die Vergangenheit zu klammern, wollten sie eine neue Zukunft aufbauen. Die Stadt sollte sich wie ein Phönix aus der Asche aus ihren Ruinen erheben.
Und so geschah es. Ypern wurde wiederaufgebaut, seine Straßen und Plätze mit neuem Leben gefüllt. Die einst durch Bomben zerstörten Tuchhallen wurden restauriert und dienen heute als Glockenturm und Museum. Das Menentor mit seiner bewegenden Reihe mit Namen vermisster Soldaten ist ein permanenter Ort des Gedenkens und der Ehrung.
Ypernbogen
Wir fahren am Menentor vorbei, das zur Renovierung verpackt wurde, und verlassen die Stadt. Jeden Abend erklingt hier unter dem Gewölbebogen noch immer der letzte Zapfenstreich – The Last Post. Er ist ein Ritual, das die Erinnerung an den Krieg wachhält, eine Verbeugung vor denjenigen, die ihr Leben für Freiheit und Frieden gelassen haben.
Sobald wir die ummauerte Stadt verlassen haben, suchen wir den Ypernbogen auf. Er war eine Ausbuchtung oder ein Bogen der Westfront um die Stadt Ypern, ein Stück alliiertes Terrain, das in das von Deutschland besetzte Gebiet hineinragte.
Die Gedenkstätten und Friedhöfe lösen sich in rascher Folge ab. Die geschichtsträchtige Region ist übersät mit UNESCO-Welterbestätten und offenbart ihre Schätze wie eine alte Bibliothek, die ein Buch nach dem anderen öffnet. Alles zu beschreiben, würde zu weit führen.
Ein Denkmal, das wir sehr schön fanden und an das wir uns erinnern wollen, ist das Waffenbrüderdenkmal. Eine fabelhafte Gedenkstätte für alle Familienmitglieder, die Seite an Seite im Ersten Weltkrieg gekämpft haben.
John ging mit seinem Bruder Jim an die Front. In der Schlacht vom Polygon-Wald am 26. September 1917 wurde John tödlich verwundet und starb in den Armen seines Bruders im Alter von 27 Jahren. In einem Blaustein, der das Denkmal flankiert, ist der Text des Liedes „Brothers in Arms“ von Mark Knopfler eingemeißelt.
Außerdem halten wir am Denkmal von Koen van Mechelen im Naturschutzgebiet Palingbeek, am strategischen Beobachtungspunkt Höhe 60, trinken ein Bier auf Höhe 62, besuchen den Friedhof im Polygon-Wald, halten am Passchendaele-Museum und radeln schließlich zum Tyne Cot Cemetery.
Mit fast 12.000 Gräbern ist er der größte Commonwealth-Friedhof der Welt und ein stiller Zeuge der blutigen Schlacht von Passchendaele. Während der britischen Offensive von 1917 gab es hier in 100 Tagen fast 600.000 Tote bei einem Geländegewinn von gerade einmal acht Kilometern.
Wir fahren weiter nach Poelkapelle, wo wir uns in Het Oud Gemeentehuis einquartieren, das heute ein modernes Hotel mit einer coolen Brasserie ist. Dank einer herzhaften Mahlzeit und eines schönen Zimmers können wir diesen Tag voller intensiver Eindrücke noch eine Weile sacken lassen.