Tag 3: Oostende – Diksmuide

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„Viel Spaß an der Front heute!“ Dieser wohlmeinende Gruß unseres Gastgebers von Les Cabanes d’Ostende kann in der turbulenten Geschichte Westflanderns erst seit relativ kurzer Zeit ohne böse Hintergedanken ausgesprochen werden. Obwohl nur ein kurzer Fahrradtag vor uns liegt, erwarten uns enorme Kontraste:

Von der Küste bis zu den Schützengräben, von brandneuen „wikkelhuisjes“ aus Pappe, die komfortabel ausgestattet und vollkommen klimaneutral sind, zu einem klassischen, rustikalen B&B am Rande einer verschlafenen Stadt. Auch unterwegs begegnen uns zahlreiche Kontraste. Keine andere Küste der Welt ist abwechselnd so schön und so hässlich wie die von Belgien. Die goldfarbenen Strände sind so breit und flach, dass wir dort mit unseren Gravelbikes fahren können, und immer wieder tauchen gigantische Hochhäuser aus Beton auf, die für die Küste hier so charakteristisch sind. Diese Hochhausreihen scheinen als Windschutz für das Hinterland zu dienen. Die Dünen zwischen den verschiedenen Küstenorten zeigen, wie es hier früher einmal ausgesehen haben mag, bevor so viele Menschen den unstillbaren Wunsch verspürten, in der ersten Reihe mit Blick aufs Meer zu wohnen.

Die fünfzehn Kilometer auf dem Boulevard, der uns durch Middelkerke und Westende führt, radeln wir so ruhig wie möglich in der Morgensonne. Eines wissen wir auf dieser Reise ganz genau: Das Meer werden wir ab jetzt nicht mehr sehen. Auf der Fußgängerfähre bei Nieuwpoort atme ich noch ein letztes Mal die frische Seeluft ein, bevor es landeinwärts weitergeht.

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Eine alte Bahnlinie führt uns in Richtung IJzer. Wir entdecken immer mehr Narben, die der Erste Weltkrieg hier hinterließ. Das Kunstwerk von William Livermore zeigt einen britischen, einen französischen und einen deutschen Soldaten, die auf den Weihnachtsfrieden von 1914 anstoßen. Wir passieren Soldatenfriedhöfe, deren weiße Grabsteine friedlich im Sonnenlicht schimmern. Schon allein beim Vorbeifahren flößt der Totengang bei Diksmuide Ehrfurcht ein. Der Endpunkt der heutigen Etappe ist so selbstverständlich, dass wir die Wegweiser der Ikonen-Radwege gar nicht brauchen, denn der IJzerturm ist kilometerweit zu sehen. Das bekannteste Friedensdenkmal Belgiens ragt wie ein Leuchtturm aus der flachen, weiten Landschaft heraus.